- Vorsitzender: Petr Rojik
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Schönlind – ein neues Sternchen am erzgebirgischen Himmel
Am Montag den 28. September 2020 wurde in Schönlind (Krásná Lípa), Ortsteil der Gemeinde Schindlwald (Šindelová) zwischen Neudek und Graslitz , ein renoviertes Kreuz feierlich eingeweiht. An diesem Tag wird in Tschechien der hl. Wenzel mit einem Staatsfeiertag geehrt, was viele Leute für ein verlängertes Wochenende nutzten. Und da auch das sonnige Wetter mitspielte, versammelten sich überraschend viele Leute, fast Hundert in der Zahl, in Schönlind.
Das Programm begann in der Kirche hl. Josef. Dechant Msgr. Peter Fořt begrüßte die volle Kirche, was hier seit 1992 nichtmehr gesehenwurde. Er informierte über den Stand der Dachreparatur, die bereits im zweiten Jahr fortgesetzt wird. Den Anstoß für diese Arbeit kam dank einer Spenderaktion, die Reinhold Erlbeck über die Sudetendeutsche Stiftung gestartet hatte. Allen Spendern aus Deutschland, der Slowakei undden USA sei großer Dank ausgesprochen. Bilder der Bauarbeiten sollten diese nutzvolle Aktion belegen und unterstreichen. Durch diese Spenderaktion konnte das nötige Geld für die Mitfinanzierung der Bauarbeiten von den tschechischen Staat, Bezirk, Gemeinde und Pfarrei gesammelt werden und nur so konnte die Arbeit sinnvoll beginnen.
Das Programm ging mit einer Bildpräsentation vom Schlosser und Schmied Jiří Studeník mit seinem Sohn Matěj aus Schindlwald weiter. Dabei wurden viele technische Details über alle Schritte der schwierigen Renovierung des Kreuzes aus Gußeisen und dessen Granitsockels genau erklärt. Herr Jiří Studeník gewährleistet ein seiner Graslitzer Werkstatt die Renovierung des Kreuzes samt Modellierung der fehlenden Teile.
Es folgte ein Umzug von der Kirche zum Feldkreuz am Ostrande von Schönlind. Dort wurde das Kreuz feierlich vom Dechant Fořt eingeweiht. Bevor die Teilnehmer nach dem vorbereiteten Sekt oder Mineralwasser griffen, hatten sich der Koordinator Peter Rojík und Herr Jiří Studeník bei allen namentlich bedankt. Hier soll besonders Adam Sonnevend, Vor- sitzender des Vereins der Freunde und Förderer des böhmischen Erzgebirges, erwähnt werden. Sein Verein überwies 770 Euro an den Schmied Jiří Studeník. Sonja Šimánková aus dem deutschen Kulturverband, Ortsgruppe Graslitz, bestellte einen Bus für die Teilnehmer aus Graslitz, Rothau und Schindlwald. Unser Dank gehört dem Dechant Peter Fořt, auch der Gemeinde Šindelová mit ihrem Bürgermeister Jaroslav Benda, dem Grundstückinhaber Petr Zacharda, Adolf Hochmuth für seine Idee das Kreuz renovieren zu lassen und den Bürgern aus Schönlind, die ganz spontan eine Bank aufgestellt haben und für das Kreuz die Aufsicht übernehmen. Der Sinn der Veranstaltung war ja, dass alle, jung und alt, Tschechen und Deutsche, eine gute Beziehung zu ihrer Heimat bekommen und sich gegen die Vandalierung der letzten Jahrzehnte stellen. Die sichtbaren Fortschritte an der Kirche, am Kreuz und am renovierten Hochofen in Schindlwald sind gute Beweise dafür.
Die feierliche Kreuzeinweihung endete mit einem Spaziergang zur Gedenkstätte für die zehn ermordete deutsche Männer vom 6. Juni 1945. Die Schilderung des damaligen Geschehens und derUmständen der Errichtung dieser Gedenkstätte im Jahre 1992 wurde mit aufmerksamen Interesse angenommen und war Anlass für eine lange Diskussion. Es soll auch erwähnt werden, dass die Gemeinde den langen Weg zur Gedenkstätte gemäht hatte. Auf dem Rückweg machten alle Teilnehmer einen Halt an der 600 Jahre alten Linde, die zwischen der Gedenkstätte und dem neuen Kreuz steht.
Ich glaube, durch die Renovierung des Kreuzes in Schönlind ist unser Erzgebirge wieder ein schönes Sternchen bekommen, ist damit etwas reicher geworden und die Menschen haben zueinander gefunden.
Dr. Petr Rojík
Ausfahrt des Kulturverbandes der Deutschen in Böhmen, Ortsgruppe Kraslice/ Graslitz zum Porzellanwerk Thun in Nova Role/ Neurohlau und zum Kreuzberg in Nejdek/Neudek am Dienstag, den 4. August 2020
Nach langer Abstinenz von lieb gewordenen Ausflügen und Zusammenkünften unseres Kulturverbandes wegen des Corona-Virus haben Sonja und Petr ziemlich kurzfristig einen zweiten Ausflug für uns vorbereitet – eine Ausfahrt zu recht nahe liegenden und sehenswerten Zielen, die aber viele von uns bestimmt nicht kannten.
Nachdem wir alle Teilnehmer in Kraslice/Graslitz und Rotava/Rothau im Bus hatten, wurden wir von unseren Reiseleitern begrüßt. Die erste Überraschung des heutigen Tages hatten wir da schon hinter uns – unsere Busfahrerin war nämlich eine hübsche junge Dame, das erlebt man ja auch nicht jeden Tag.
Unser erstes Ziel war die älteste Porzellanfabrik in Tschechien, Thun 1794, deren Ursprünge in Klášterec nad Ohří/Klösterle an der Eger liegen. Der Betrieb in Nová Role/ Neurohlau wurde 1921 gegründet und nach 1945 in die Karlsbader Porzellan Group eingegliedert.
In Nová Role/Neurohlau wird von 700 Mitarbeitern Gebrauchs- und Hotelporzellan hergestellt, Jahresproduktion 3500 bis 4000 Tonnen, weiter exklusive Serien in limitierten Auflagen. Die Thun 1794 AG knüpft an die 200-jährige Tradition der Porzellanherstellung im Karlsbader Raum an.
Nach kurzer Begrüßung und einigen Informationen konnten wir uns anfangs in einem Ausstellungsraum eine erste Vorstellung über die Vielfalt des in diesem Werk hergestellten Porzellans machen. Vertreter des Betriebes führten uns dann in einem recht kurzen Rundgang durch einige Werkhallen und wir konnten uns in den Fertigungsbereichen Druckguß, Glasur, Schnell- und Dekorationbrennerei einen Eindruck über den Arbeitsablauf mit seinen zugehörigen technologischen Einrichtungen verschaffen. Mehr war wegen der Corona-Situation leider nicht möglich.
Zum Abschluß hatten wir noch die Möglichkeit, eine vorgefertigte glasierte Tasse, jeder nach seinem eigenen Geschmack mit Abziehbildern zu dekorieren, ein kleines Geschenk der Firma.
Nach Einkauf im Shop des Betriebes fuhren wir weiter Richtung Nejdek/Neudek zu unserem nächsten Ziel – Mittagessen im Restaurant „Zátiší“ im Ortsteil Bernov/Bernau, direkt am Wald und sehr idyllisch gelegen. Wir wurden dort bestens mit den Getränken und Speisen unserer Wahl versorgt. Da sich am Nachmittag das Wetter besserte, hatten wir zum Abschied wunderbare Blicke ins Tal.
Am Nachmittag fuhren wir zurück in die Stadt Nejdek/Neudek, um uns den schon in den Jahren 1851 bis 1858 errichteten Kreuzweg anzuschauen. Nach völliger Zerstörung in der kommmunistischen Zeit, wurde der Kreuzweg im Jahre 2008 dank der Bürgerinitiative „Es geht um Nejdek“, der Stadt Nejdek/Neudek und ihrer Partnerstadt Augsburg nach 4-jähriger Bauzeit neu aufgebaut.
Die neuen Reliefs wurden von dem einheimischen Künstler Heřman Kouba geschaffen. Dieser Mann war genau der Richtige, uns den Kreuzweg und seine Kunstwerke zu präsentieren.
Herr Kouba führte uns von der Stadtmitte aus vorbei an den 14 Stationen mit den künstlerisch wertvollen Reliefs des Leidensweges Christi auf den 695 m hohen Kreuzberg. Dieser wird gekrönt durch ein 6 m hohes eisernes Kruzifix, eine Gedenktafel erinnert an die Geschichte dieses Kreuzweges bis hin zur Neuweihe durch Bischof Radkovský im Jahre 2008.
Der Künstler führte uns von Station zu Station des Leidensweges Christi und erläuterte uns zu jedem Relief seine Überlegungen zur Gestaltung der einzelnen Figurengruppen. Bei jeder Station wurden in beiden Sprachen die vom tschechischen katholischen Pfarrer und ehemaligen Minister verfaßten Botschaften, die von diesen Bildern ausgehen sollen, verlesen. Sie sind sehr aufschlußreich, regen zum Nachdenken an und sie sind besonders in unserer heutigen Zeit aktueller denn je.
Der Kreuzweg ist 1600 m lang und er war für viele von uns recht beschwerlich, es ist eben ein Kreuzweg. Anerkennenswert ist es aber, daß fast alle den Weg hinauf und auch wieder heruntergeschafft haben. Ganz nebenbei konnten wir die wunderschöne Aussicht auf die Stadt Nejdek/Neudek genießen.
Wir haben während des Weges noch viel von Herrn Kouba erfahren, über seine Arbeit an diesem Vorhaben und einiges von gestern und heute. Ihm gebührt ein herzliches Dankeschön für seine Arbeit und für diesen wunderschönen Nachmittag.
Die Rückfahrt nach Kraslice/Graslitz dauerte ja nicht allzu lange, es gab viel zu erzählen zu diesem von Sonja und Petr wieder perfekt vorbereiteten Ausflug. Ihnen gilt unser Dank.
Wir möchten natürlich auch dem Kulturverband und der Stadt Kraslice/Graslitz und der Stadt Rotava/Rothau herzlich danken, die es mit ihrer Unterstützung für uns überhaupt erst ermöglichen, daß wir solche wunderbaren gemeinsamen Unternehmungen durchführen können.
Danke auch unserer Busfahrerin, die uns mit ihrer freundlichen Art begleitet und auch sicher wieder nach Hause gebracht hat.
Klaus Hoyer
Erste posttraumatische Wanderung durch Pilsnerland
Auf deutschen Spuren im nördlichen Teil des Pilsner Kreises
Text: Ulrich Möckel und Soňa Šimánková, Fotos: Soňa Šimánková
Die letzten Monate im Zeichen von Corona waren nicht nur für die Wirtschaft und die Menschen eine ungewohnte und belastende Zeit, auch die Arbeit aller Vereine litt darunter beträchtlich. So konnte die sehr rührige Ortsgruppe Kraslice/Graslitz des Kulturverbandes der deutschen Minderheit in Tschechien durch die angewiesenen Regelungen zum Schutz der Bevölkerung bisher keine Veranstaltung durchführen. Die erste gemeinsame Ausfahrt erfolgte am 25. Juli und führte in den nördlichen Teil des Kreises Pilsen.
Das erste Ziel der 54 Reiseteilnehmer war das einstige Kloster Mariánská Týnice/Maria Teinitz. Es befindet sich unweit der Stadt Kralovice/Kralowitz, die an der Straße Nr. 27 von Plzeň/Pilsen zur Verbindungsstraße Karlovy Vary/Karlsbad nach Prag liegt, also knapp 30 km nördlich von Plzeň/Pilsen.
Die Geschichte des Klosters und Wallfahrtsortes Mariánská Týnice/Maria Teinitz ist sehr eng mit dem Kloster Plasy/Plass verbunden. Im Jahre 1230 schenkte Roman von Týnec dem Kloster Plasy auch den abgegrenzten Meierhof Týnice/Teinitz. Die Zisterzienser erbauten hier noch im Mittelalter eine Wallfahrtskirche, für welche in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Statuengruppe der Verkündigung der Jungfrau Maria geschaffen wurde. Nach der schweren Zeit zwischen den Hussitenkriegen und dem Dreißigjährigen Krieg erlebte das Kloster Plasy/Plass in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine neue Blütezeit, die im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte. Damals erfolgte auch die Umgestaltung des Wallfahrtsortes. Dem ursprünglichen mittelalterlichen Bau wurde ein Kreuzgang angeschlossen. 1699 errichtete man hier eine Probstei. In unmittelbarer Nähe wurde ein neuer Komplex errichtet, der aus der Kirche der Verkündigung der Jungfrau Maria und einem mit ihr verbundenen einstöckigem Gebäude der Probstei und den Kreuzgängen bestand. Dieser Bau wurde von Eugen Tyttl, dem Abt des benachbarten Klosters Plasy/Plass in Auftrag gegeben. Baumeister war Johann Blasius Santini Aichel, ein bedeutender Mann seines Faches im Hochbarock. Der Grundstein dafür wurde im Jahre 1711 gelegt. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Klosters in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und schließlich seine Aufhebung durch Josef II. im Jahre 1785 brachte das Ende der Bauarbeiten. Als die Familie Metternich im Jahre 1826 die Plasser Herrschaft gekauft hatte, kam es zum allmählichen Verfall des Objektes. In den Jahren 1919 und 1920 stürzte schließlich die Kuppel der Kirche ein. Erst danach gründete sich ein Bund, der sich die Rettung von Mariánská Týnice/Maria Teinitz auf die Fahnen schrieb und mit der Rekonstruktion des gesamten Areals begann. An dessen Spitze agierte der Architekt Hanuš Zápal. Das 1952 errichtete Museum setzte die Arbeiten des einstigen Vereins fort. Jedoch erst nach 1990 konnte mit massiver Unterstützung des tschechischen Staates und des Kulturministeriums eine umfassende Rekonstruktion begonnen werden. Zuerst erfolgte die Erneuerung der Fassade des Probsteigebäudes und der zwei Zwiebeltürme mit Glocken und Uhren. Seit Mitte der 90er Jahre wurde die Kirche in Angriff genommen und schließlich konnte im Jahre 2005 die Kuppel wieder geschlossen und vollendet werden.
In den Räumen der Probstei befindet sich das Regionalmuseum und im Speisesaal eine Galerie mit wechselnden Ausstellungen. Im Museumsbereich sind die Elemente der ursprünglich religiösen Nutzung gut integriert. Heiligenstatuen, Bilder von einstigen Äbten, Freskengemälde an Wänden und Decken zieren das Museum. Die Kirche dient ebenfalls als Galerie mit sakralen Elementen. Die gegenwärtige Ausstellung des Museums wurde in den Jahren von 2005 bis 2008 erstellt und ist seither den Besuchern zugängig. Da die Region ländlich geprägt ist, so werden neben alten Werkzeugen auch Einrichtungsgegenstände in ihrem einstigen Umfeld gezeigt. Es sind Büros, Werkstätten, bis hin zum Klassenzimmer und Gasthaus detailgetreu nachgestellt. Auch werden die Sitten und Gebräuche im Jahreskreis mit Figuren in Originalgröße gezeigt.
Obwohl sich dieses sehenswerte Kulturdenkmal nicht unmittelbar in Grenznähe befindet, ist man hier auf deutsche Besucher eingerichtet. In jedem Raum gibt es Kästen mit den Erklärungen in tschechischer, englischer und deutscher Sprache. Wer in der Nähe vorbeikommt, sollte sich für dieses einstige Kloster etwas Zeit nehmen. Es lohnt sich.
Dieser Meinung waren auch die Teilnehmer unserer Reisegruppe, die nach zwei interessanten Stunden in diesen Gemäuern die Reise nach Manětín/Manetin zur zweiten Station der Erkundungsreise fortsetzte.
Manětín/Manetin wurde 1169 erstmals urkundlich erwähnt, als Vladislav II. den Ort dem Johanniterorden überließ. Wegen seiner Lage am Handelsweg von Eger nach Prag erlangte der Ort große Bedeutung und erhielt 1235 durch Wenzel I. eine eigene Gerichtsbarkeit und das Recht zur Befestigung verliehen. 1420 verlieh König Sigismund Manětín/Manetin an seinen Heerführer Bohuslav von Schwanberg. Unter den Schwanbergern wurde die Stadt zum Sitz einer großen Herrschaft, zu der in der Umgebung weitere Dörfer gehörten. 1544 verkaufte Heinrich von Schwanberg den Besitz an Wolf den Jüngeren Kraiger von Kraigk, dem er 1547 wegen Beteiligung am Aufstand gegen Ferdinand I. konfisziert wurde. Ferdinand verkaufte Manětín/Manetin 1548 an Hieronymus Schlick von Weißenkirchen und Rabenstein. Dessen Sohn Joachim von Schlick verkaufte die Ländereien 1560 an Hieronymus d. Ä. von Hrobschitz. Unter den Hrobschitzer erfolgte der Umbau der alten Feste zum Renaissanceschloss. 1617 kaufte Christoph Karl Roupovský von Ruppau die Herrschaft Manetin/Manětín. Nach der Schlacht am Weißen Berg wurden Roupovskýs Herrschaften Manětín sowie Herálec mit Humpolec konfisziert und 1622 erwarb Esther Lažanská von Buggau die Herrschaft Manětín/Manetin.
Unter Wenzel Josef Lažanský von Buggau und dessen Sohn Maximilian Josef erfolgte die Umgestaltung der Stadt im Barockstil. Auch das Schloss erhielt nach dem Stadtbrand von 1712, der außer dem Schloss noch große Teile Stadt einschließlich der Kirche vernichtet hatte, durch den Baumeister Johann Blasius Santini Aichl ein barockes Aussehen. In Manetin wirkten bedeutsame Künstler des Barock wie Christian Philipp Bentum, Thomas Haffenecker, Peter Johann Brandl und Jean Baptiste Mathey sowie der Organist Johann Josef Brixi. Bis 1945 blieb das Schloss im Besitz der Grafen Lažanský.
Im Mittelalter stand vermutlich eine gotische Burg an der Stelle des heutigen Schlosses, die im 16. Jahrhundert von den damaligen Besitzern des Herrenhauses, den Herren von Hrobčice, zu einem Renaissance-Schloss umgebaut wurde. Die Burg war zu dieser Zeit bereits eine Ruine und nur Gewölberäume im Erdgeschoss konnten für den Bau des Schlosses genutzt werden. Das Schloss Manetin erhielt 1712 unter den Lažanskýs von Buggau sein heutiges barockes Aussehen. Manětín/Manetin war zuvor von einem großen Brand getroffen worden, und der Wiederaufbau des Schlosses war tatsächlich eine Notwendigkeit. Nach dem Entwurf von G. B. Santini wurde ein zweistöckiges rechteckiges Gebäude geschaffen. Die Bewohner derer von Lažany aus Buggau besaßen das Schloss Manetin von 1621 bis 1945, als es von ihnen beschlagnahmt wurde.
Das Schloss erstreckt sich über die gesamte Länge des Marktplatzes und hat den Grundriss eines umgekehrten U, an dessen seitlichen Auslegern sich die Keller der gotischen Burg anschließen. Auf der anderen Seite des Schlosses befindet sich eine Terrasse mit Barockstatuen und Springbrunnen. Daneben ist der Schlosspark, der mit dem restaurierten französischen Barockgarten verbunden ist. Das Schloss ist durch einen überdachten Korridor mit der Dekanatskirche verbunden, die dem heiligen Johannes dem Täufer gewidmet ist. Das Gebäude verfügt über eine klassische Schlossausstellung mit Barockmöbeln, eine erhaltene Bibliothek und Fresken von F. J. Lux in der Haupthalle. Eine gut erhaltene markante Treppe mit Allegorien der vier Elemente führt in den ersten Stock, und die Zimmer sind mit Deckengemälden geschmückt. Kunstbanausen äußern oftmals die Meinung, dass wenn man ein Schloss in Tschechien gesehen hat, alle anderen auch kennt. Aber gerade die Besonderheiten sind von Bedeutung. Im Schloss Manětín/Manetin gibt es eine einzigartige Sammlung von Gemälden von Schlossdienern aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wie man sie sonst nirgends findet. Auf diese Weise von der Obrigkeit die Arbeit dieser Menschen anerkannt und gewürdigt.
Nach der interessanten Schlossführung stellte sich bei vielen Teilnehmern ein zunehmendes Hungergefühl ein und so ging es weiter ins etwa 7 km entfernte Dorf Nečtiny/Netschetin. Hier erwarteten uns schon Richard Šulko und sein Sohn Vojtěch, sowie im Gasthaus im Rathaus eine sehr reichhaltige und schmackhafte Stärkung. Was kann es für hungrige Mägen Schöneres geben, als ein gut gekühltes Bier, eine kräftigende Vorsuppe uns eine reichhaltige Hauptspeise – alles frisch zubereitet! Dieses typische Landgasthaus kann man getrost als „Geheimtipp“ in jede Tourenplanung in dieser Region mit einbeziehen. Gut gestärkt ging es nun ins örtliche Regionalmuseum.
Das Dorf Nečtiny/Netschetin im Norden des Pilsner Kreises hat eine lange Geschichte. Die ersten Erwähnungen in historischen Quellen gibt es bereits 1169. Das heutige Dorf war früher eine Stadt mit einem eigenen Wappen und selbstverständlich einer Brauerei. Seit dem 18. Jahrhundert gab es auch eine Poststation direkt am Marktplatz. Diese wurde in den letzten Jahren in ein außergewöhnliches Museum mit vielen Originalexponaten umgewandelt. Im Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich das touristische Informationszentrum. Es erinnert etwas an die Zeiten, als sich Gäste und Geschäftsleute im Haus erfrischten. Im ersten Stock erwarten die Besucher zum Beispiel verschiedene Glasprodukte, die in den Glashütten der Region Nečtiny/Netschetin bis Anfang des 20. Jahrhunderts hergestellt wurden. Zu den beliebtesten Exponaten gehören ein Landschaftsmodell und Szenen aus der Vergangenheit von Nečtiny/Netschetin. Besonderheiten sind die lebensgroßen Figuren, welche die Gesichtszüge von heutigen Dorfbewohnerntragen. Die Ausstellung enthält auch die Gendarmeriestation der Ersten Republik mit dem Schauplatz eines realen Ereignisses – einem Angriff auf einen Staatsbürger, der gekommen war, um das Verbrechen mit bedecktem Hals zu melden. Die ethnografische Ausstellung im Umfeld eines Fachwerkraums bringt das Leben der einfachen Bewohner, die meist in der Landwirtschaft tätig waren oder als Holzfäller ihren Lebensunterhalt verdienten, näher. Schafzucht und Flachsanbau waren typisch für die Region. Der Ausstellungsraum im zweiten Stock des historischen Gebäudes ist für Wechselausstellungen konzipiert, die den örtlichen Vereinen, der Schule und der Kirche zur Verfügung steht. Neben dem Museum gibt es in Nečtiny/Netschetin unter anderem den Engelsweg. Die Engelsfiguren sind das Ergebnis mehrerer Skulpturensymposien der letzten Jahre, an denen namhafte Künstler aus aller Welt beteiligt waren.
Richard Šulko führte unsere Reisegruppe in die Ortsgeschichte ein, bevor jeder individuell sich die Exponate anschauen konnte. Er ist auch der Vorsitzende des „Bundes der Deutschen in Böhmen e.V.“ mit Sitz in Netschetin/Nečtiny. Dies ist ein Verein der deutschen Minderheit in Westböhmen mit folgenden drei Zielen: Erhalt der deutschen Sprache und des „Egerländer Kulturerbes“, Schutz der Interessen der deutschen Minderheit und Völkerverständigung, insbesondere zwischen Deutschland und Tschechien. Weiterhin fühlt er sich mit seiner Familie und Freunden der Tradition der Egerländer Trachten und des Egerländer Tanzes verpflichtet. Mit seinem Sohn Vojtěch an der Zither singt er Egerländer und Erzgebirgische Lieder. Zum Abschied unserer Gruppe boten beide noch ein kleines Konzert im Museum.
Nun lag noch der letzte Besichtigungstermin des Ausfluges vor uns. Auf engen Straßen zirkelte unser Busfahrer den Dreiachser sicher in das kleine, etwas abseits gelegene Dorf Luková/Lukowa. Das Dutzend Häuser, zwar idyllisch gelegen, wäre keiner Beachtung wert, wenn dort nicht die St. Georgskirche stehen würde. Ihr Schicksal teilte sie mit vielen anderen Kirchen im einstigen Deutschböhmen. Verwahrlost, einer Ruine gleich, wurde diese Kirche im Jahre 2012 plötzlich durch ein Kunstprojekt bekannt. Im Rahmen seiner Abschlussarbeit gestaltete der damalige Student Jakub Hadrava 32 einzigartige Figuren aus mit Gips getränkten weißen Stoffen. Diese Figuren stellen einstige sudetendeutsche Bewohner dar, welche früher im Dorf lebten und für die der Glaube ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens war. Dank dieser ungewöhnlichen Dekoration bekam die Kirche eine neue Chance und war auch in den Medien präsent. Zwischenzeitlich konnten mit Spenden und Fördergelder das Dach gedeckt und die Fassade des Turmes erneuert werden, sodass dieser weit in der Umgebung sichtbar ist. Touristen strömen heute in die Kirche, um sich dieses Kunstwerk anzuschauen. Es werden keine Eintrittsgelder erhoben, jedoch wird um eine Spende für die Fortführung der Arbeiten gebeten. Dass es sich hierbei um eine sehr alte Kirche handelt, belegen Teile des Presbyteriums und der Sakristei, die bereits aus dem 14. Jahrhundert stammen.
Dies alles erfuhren wir vom Bürgermeister der Stadt Manětín/Manetin, Josef Gilbert Matuška, der übrigens auch sehr gut deutsch spricht. Diese sehenswerte Kirche ist derzeit Samstag und Sonntag von 13 bis 16 Uhr geöffnet. Weitere Informationen zu dieser Kirche mit ihrer Ausstellung in gibt es unter https://lukova-kostel.cz in tschechischer Sprache.
Auch im Ort ist ersichtlich, dass man sich der deutschen Vergangenheit bewusst ist. Das örtliche Kriegerdenkmal wurde wieder schmuckvoll restauriert und steht in Kirchennähe.
Mit vielen neuen und schönen Eindrücken von einem interessanten und unvergesslichen Tag kehrten die 54 Teilnehmer der Exkursion zurück in ihre Region um Kraslice/Graslitz und Rotava/Rothau. Einen herzlichen Dank gebührt der Organisatorin Soňa Šimánková und den Sponsoren dieser Fahrt, den Verantwortlichen der Städte Kraslice/Graslitz und Rotava/Rothau für die finanzielle Unterstützung.
Es bleibt zu hoffen, dass die Situation der Corona-Erkrankungen nach der Urlaubszeit nicht erneut zu schwerwiegenden Eingriffen in das öffentliche Leben führen und die Vereinsarbeit im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten wieder fortgesetzt werden kann.